Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall steht dem Geschädigten nicht nur die Reparatur oder der Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs zu. Wird auf einen Mietwagen verzichtet, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Sie soll den vorübergehenden Verlust der Gebrauchsmöglichkeit ausgleichen – also den Nachteil, dass das eigene Fahrzeug in dieser Zeit nicht zur Verfügung steht.
Der Anspruch ergibt sich aus § 249 BGB. Die Rechtsprechung hat hierzu seit Jahrzehnten feste Grundsätze entwickelt, die sowohl Versicherer als auch Sachverständige in der Regulierungspraxis anwenden.
Voraussetzung ist zunächst, dass der Unfallgegner haftet. Die Nutzungsausfallentschädigung ist Teil des Schadensersatzes und setzt Verschulden bzw. eine Haftung des Gegners voraus.
Weiter muss das Fahrzeug aufgrund des Unfalls tatsächlich nicht nutzbar gewesen sein – etwa, weil es beschädigt, nicht verkehrssicher oder reparaturbedürftig war.
Zudem darf kein Mietwagen genutzt worden sein. Der Geschädigte muss sich zwischen Mietwagenkosten und Nutzungsausfallentschädigung entscheiden; beides nebeneinander ist ausgeschlossen.
Schließlich muss ein Nutzungswille und eine Nutzungmöglichkeit bestanden haben.
Das bedeutet: Der Geschädigte wollte das Fahrzeug in dieser Zeit verwenden und wäre dazu auch in der Lage gewesen. Kein Anspruch besteht etwa bei stationärem Krankenhausaufenthalt oder wenn das Fahrzeug ohnehin stillgelegt war.
Die Dauer richtet sich nach der tatsächlichen unfallbedingten Ausfallzeit.
Maßgeblich sind:
Die Dauer wird im Regelfall im Gutachten des Sachverständigen festgelegt.
Versicherer orientieren sich daran, können aber Nachweise über den tatsächlichen Ablauf verlangen, wenn die Reparatur ungewöhnlich lange gedauert hat.
Die Höhe der täglichen Entschädigung hängt von der Fahrzeugklasse ab.
Zur Einordnung dient in der Praxis die Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch, die Fahrzeuge nach Typ, Leistung und Neupreis in Gruppen einteilt.
Jeder Gruppe ist ein Tagessatz zugeordnet, der den durchschnittlichen Wert der Gebrauchsentbehrung widerspiegelt.
Nachfolgend eine stark vereinfachte Übersicht, basierend auf den marktüblichen Ansätzen (Stand 2025):
Einstufung nach Fahrzeuggruppen (Stand 2025):
Gruppe A
Fiat 500, VW up!, Toyota Aygo → ca. 29 € / Tag
Gruppe B
Opel Corsa, Ford Fiesta, Seat Ibiza → ca. 35 € / Tag
Gruppe C
VW Golf, Skoda Octavia, Hyundai i30 → ca. 43 € / Tag
Gruppe D
BMW 3er, Audi A4, Mercedes C-Klasse → ca. 59 € / Tag
Gruppe E
Mercedes E-Klasse, Volvo S90 → ca. 74 € / Tag
Gruppe F
BMW 5er, Audi A6, Tesla Model 3 → ca. 88 € / Tag
Gruppe G
BMW 7er, Audi A8, Porsche Macan → ca. 109 € / Tag
Gruppe H
Oberklasse / SUV / große Elektrofahrzeuge → ca. 126 € / Tag
Gruppe I – L
Luxus- und Sportwagen → bis 175 € / Tag
Die genaue Zuordnung erfolgt durch den Gutachter.
Für ältere Fahrzeuge ist eine Herabstufung üblich: ab etwa fünf Jahren um eine Gruppe, ab zehn Jahren um zwei Gruppen.
Diese Korrektur ist keine feste Regel, sondern hängt vom Zustand und der tatsächlichen Nutzung ab. Ein gepflegtes, technisch einwandfreies Fahrzeug kann auch nach Jahren in der ursprünglichen Gruppe verbleiben.
Die Entschädigung ergibt sich aus der Anzahl der entschädigungsfähigen Tage multipliziert mit dem entsprechenden Tagessatz.
Beispiel:
Ein Fahrzeug der Gruppe D wird laut Gutachten acht Tage repariert.
8 × 59 € = 472 € Nutzungsausfallentschädigung.
Bei einem Totalschaden mit zwölf Tagen Wiederbeschaffungsdauer und einem Fahrzeug der Gruppe C ergibt sich:
12 × 43 € = 516 €.
Der Zeitraum beginnt frühestens mit dem Tag, an dem das Fahrzeug aufgrund des Unfalls tatsächlich nicht mehr genutzt werden konnte, und endet mit der Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Zulassung des Ersatzfahrzeugs.
Beim wirtschaftlichen Totalschaden entsteht die Entschädigung für die Dauer der Ersatzbeschaffung.
Üblicherweise werden zehn bis vierzehn Kalendertage anerkannt.
Die Versicherung kann Nachweise verlangen, etwa den Kaufvertrag oder die Zulassungsbestätigung. Wird kein Ersatz angeschafft, kann die Nutzungsausfallentschädigung entfallen, da die tatsächliche Wiedererlangung der Nutzungsmöglichkeit nicht erfolgt ist.
Bei Elektrofahrzeugen wird die Einordnung analog vorgenommen.
Da viele Modelle in den letzten Jahren neu auf den Markt kamen, orientieren sich Gutachter an vergleichbaren Fahrzeugen mit ähnlichem Listenpreis und Nutzwert.
Die Tagessätze bewegen sich hier je nach Fahrzeugklasse zwischen 40 € und 120 €.
Verzögert sich die Reparatur infolge von Ersatzteilmangel oder Lieferproblemen, bleibt die Zeit grundsätzlich ersatzfähig, wenn der Zusammenhang mit dem Unfall gegeben und die Verzögerung nicht vom Geschädigten verschuldet ist.
Entscheidend ist, dass der Reparaturauftrag unverzüglich erteilt wurde und die Werkstatt die Verzögerung bestätigen kann.
Versicherungen prüfen solche Fälle besonders genau, da sich Ausfalltage schnell summieren können.
Ein häufiger Streitpunkt ist die Kombination aus Mietwagen und Nutzungsausfall.
Nimmt der Geschädigte während eines Teils der Reparaturzeit einen Mietwagen, besteht nur für die restlichen Tage Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
Die Entschädigung darf also nicht doppelt beansprucht werden.
Ebenso ist zu beachten, dass andere Formen des Ersatzes (z. B. eine konkret nachgewiesene Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit Erstattung der Kosten) die Nutzungsausfallentschädigung ausschließen.
Versicherer kontrollieren bei der Regulierung regelmäßig:
Das Gutachten des Sachverständigen spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es liefert die technischen Grundlagen, auf die sich die Versicherung stützen kann.
Die Nutzungsausfallentschädigung ist ein fester Bestandteil des Schadensersatzes nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall.
Sie dient dem finanziellen Ausgleich des vorübergehenden Verlusts der Gebrauchsmöglichkeit und wird nach objektiven Kriterien berechnet.
Grundlage ist stets das Gutachten, das die Ausfallzeit und die Nutzungsausfallgruppe bestimmt.
Ob bei einem Kompaktwagen oder einer Oberklasselimousine – entscheidend sind Nachvollziehbarkeit, Plausibilität und eine sachlich dokumentierte Schadenabwicklung.
So bleibt die Regulierung transparent und entspricht den geltenden Maßstäben der Rechtsprechung.
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